Sozialhilfe soll umgekrempelt werden
Bei der Bemessung der Sozialhilfe sollen auch die Anzahl der Steuerjahre und der AHV-Beitragsjahre berücksichtigt werden. Die bürgerliche Mehrheit des Aargauer Kantonsparlaments hat einen entsprechenden Vorstoss überwiesen.
Grossräte der SVP, FDP und CVP verlangten im Postulat, die Bemessung der Sozialhilfe zu ändern. Die Ausgaben für die Sozialhilfe stiegen ständig. Der soziale Friede sei gefährdet, schrieben die Grossräte.
Für die Bevölkerung sei es unverständlich, dass Personen, die keinen einzigen Tag gearbeitet hätten, die gleich hohen Sozialhilfeleistungen erhalten würden, wie Personen die jahrelang in die Sozialwerke einbezahlt hätten. Der Grosse Rat überwies das Postulat am Dienstag mit 80 zu 52 Stimmen. Der Regierungsrat muss die Frage nun gegen seinen Willen prüfen.
Die FDP stützte die Forderung. Die Sozialhilfekosten könnten eine grosse Belastung für die Gemeinden sein. Viele Flüchtlinge würden Sozialhilfe beziehen. Daher sei eine Anpassung des Sozialhilfesystems notwendig. Die Sozialhilfe müsse abgestuft werden, verlangte die SVP. Laut CVP besteht in der Bevölkerung «ein Gefühl der Ungerechtigkeit».
SP: «Zynische Forderung»
Die Forderung wirke «zynisch und menschenverachtend», stellte die SP fest. Es werde eine «populistische Politik auf dem Buckel der Schwächeren» gemacht. Der Grundsatz der Rechtsgleichheit dürfe nicht in Frage gestellt werden. Junge Menschen und Frauen wären von der diskriminierenden Regelung betroffen.
Das Netzwerk Sozialer Aargau hatte vor dem Parlamentsentscheid kritisiert, dass der Vorstoss vor allem anerkannte und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge im Blickfeld habe.
Regierungsrat gegen Systemwechsel
Der Regierungsrat sprach sich dagegen aus, die Bemessung der Sozialhilfe auf den Kopf zu stellen. Die Berechnung des Grundbedarfs für den Lebensunterhalt und die Wohngelegenheit in Abhängigkeit der getätigten Anzahl Steuerjahre und AHV-Beitragsjahre würde «zu einer grundsätzlichen Änderung des heute geltenden Systems führen», hielt der Regierungsrat in seiner Stellungnahme fest. Dies «wäre schweizweit einmalig».
Er wies darauf hin, dass das vom Parlament beschlossene kantonale Sozialhilfe- und Präventionsgesetz Verschärfungen bringen werde. Das Gesetz tritt per Anfang 2018 in Kraft. Es legt die Basis, dass bei Missachtung von Auflagen die Sozialhilfe gekürzt oder gestrichen werden kann. Auch die Regelung zum automatischen Datenaustausch zwischen den Gemeinden soll mithelfen, Missbräuche zu verhindern.