SP-Einwohnerrätin Leona Klopfenstein will eine Erklärung für die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen in der Stadtverwaltung von Aarau.
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Unerklärte Differenz

Tiefere Löhne für Frauen in der Stadtverwaltung – Aarau geht nochmals über die Bücher

Einwohnerrätin Leona Klopfenstein (SP) stellte dem Aarauer Stadtrat zehn detaillierte Fragen zu den Lohnunterschieden zwischen den Geschlechtern beim städtischen Personal. In einer umfangreichen Antwort nimmt der Stadtrat nun Stellung.

Wie steht es um die Lohngleichheit von Frauen und Männern in der Aarauer Stadtverwaltung? Eine Lohngleichheitsanalyse aus dem Jahr 2021 ergab laut Stadtrat «eine unerklärte geschlechtsspezifische Lohndifferenz» von 4,3 Prozent. Weil das vom Bund anerkannte verwendete Modell Logib aber eine Toleranzgrenze von 5 Prozent vorsieht, gilt die Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern in Aarau theoretisch als erfüllt.

«Eine vertiefte Analyse lässt das System Logib nicht zu», sagt aber der Stadtrat. Für Einwohnerrätin Leona Klopfenstein (SP) genügen die Erklärungen nicht: In einer Anfrage vom 16. Februar fordert sie den Stadtrat heraus mit einem Katalog von zehn Fragen, in denen sie unter anderem relativ detailliert wissen will, wie und warum eine Mitarbeitende in welchem Lohnband eingestuft wird.

Spezifisch wird sie vor allem zum Schluss, wo sie konkret fragt, wie der Stadtrat den tiefen Frauenanteil bei den Abteilungsleitungen rechtfertigt. Oder wo sie um eine Ausführung möglicher Massnahmen bittet, «um den nicht erklärbaren Lohnunterschied innerhalb der Stadtverwaltung zwischen Frauen und Männern zu senken».

Deutlich mehr gut gebildete Frauen arbeiten in Aushilfstätigkeiten

Knapp einen Monat später liegt nun eine relativ umfangreiche Antwort des Stadtrats vor, wo er zu erklären versucht, wie es zu diesem Unterschied von 4,3 Prozent kommen könnte. Als Erstes nennt er eine Schwachstelle in der Methode des Analysemodells Logib: Dort müsse jeweils zwingend die allgemein höchste Ausbildung der Person angegeben werden und nicht die höchste Ausbildung, die für den tatsächlich ausgeübten Beruf relevant ist. «Ist eine Frau mit Masterabschluss in Kunstvermittlung als Sachbearbeiterin tätig, so fliesst sie in den Vergleich gleichwohl als Mitarbeiterin mit Masterabschluss ein und wird somit die Lohngleichheit negativ beeinflussen», erklärt der Stadtrat.

Solche Beispiele gäbe es vor allem im Bereich Kultur, wo «deutlich mehr Frauen als Männer» mit hohen Bildungsabschlüssen in Tätigkeiten arbeiten, die diese Ausbildungen nicht erfordern. «Die Entlohnung fällt daher tiefer aus», so der Stadtrat, und gerade deshalb existiere die Toleranzgrenze bei der Analyse. «Der Bund geht damit davon aus, dass Ungleichheiten bis zu 5 Prozent der Methode geschuldet sein können und keine effektive Lohnungleichheit ausweisen.»

In den Führungsetagen läge der Frauenanteil im Durchschnitt

Warum schaffen es Frauen dann nicht so oft in die Führungsetagen? Der Stadtrat sagt: «Frauen haben bei Stellenbesetzungen grundsätzlich dieselben Chancen wie Männer. Es ist jedoch die deutliche Tendenz feststellbar, dass auf Stellenausschreibungen von Führungs- und Projektleitungsfunktionen mit qualifizierten Aufgabengebieten nur wenige Bewerbungen von Frauen eingehen.» In Aarau liege der Frauenanteil in Abteilungsleitungen bei rund 27 Prozent und damit im Durchschnitt vom Management der Schweizer Unternehmen. Auf der zweithöchsten Führungsebene, den Sektionsleitungen, betrage der Frauenanteil in Aarau immerhin schon 43 Prozent.

Zum Schluss zieht die Personalleiterin der Stadt auch die Coronapandemie als möglichen Erklärungsansatz hinzu: Damals, als die Lohnanalyse gemacht wurde, fielen viele Anlässe aus und damit war die Arbeit meist männlicher Bühnenhelfer im niedrigen Lohnbereich nicht gefragt, gleichzeitig stieg die Anzahl Aushilfen, mehrheitlich Frauen, in der Reinigung. Dazu würden langjährige ältere Mitarbeiter im Werkhof oder Gebäudeunterhalt «tendenziell überdurchschnittlich» verdienen, verglichen mit den vorwiegend weiblichen Beschäftigten im Bereich Pflege. Die Löhne im Pflegebereich seien zwar marktgerecht, doch da diese Löhne «für die Taxen relevant sind, können sie nicht einfach erhöht werden».

Erneute Analyse, jetzt ohne Corona, soll besseres Ergebnis liefern

Dennoch: Der Stadtrat hat beschlossen, 2023 «auf freiwilliger Basis» die Lohngleichheitsanalyse nochmals durchzuführen. «Obwohl der Aufwand gross ist.» Es wird erneut im Logib-System gemacht. Diesmal geht der Stadtrat aber davon aus, dass dank des Wegfalls von Einflüssen aus der Zeit der Pandemie die unerklärte Lohndifferenz in der Analyse «nun deutlich tiefer ausfallen wird».

An der Einwohnerratssitzung diese Woche nahm Leona Klopfenstein kurz Stellung zur Antwort des Stadtrats. «Ich glaube schon, dass Aarau da mehr kann», sagte sie. Es sei zwar lobenswert, dass der Stadtrat nochmals eine Analyse machen wolle. Sie frage sich aber, ob das Ergebnis wirklich anders herauskommen wird. 2021 hat die Lohndifferenz in Zürich laut Logib-Analyse 1,6 Prozent betragen, in Basel 1,7; weit unter den 4,3 Prozent in Aarau. «Und auch da hat Corona geherrscht.»

(Aargauer Zeitung/Daniel Vizentini)

Quelle: Aargauer Zeitung
veröffentlicht: 17. April 2023 12:39
aktualisiert: 17. April 2023 12:39
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