Neue Musik von Nick Mellow: Der Aarauer tourt entspannt auf dem Rücksitz durchs Leben
Wir alle kennen das Gefühl, nicht loslassen zu können – diese Angst vor Kontrollverlust, vor dem Ungewissen. Genau davon singt Nick Mellow in «Waste My Time»: «I feel like in a runaway car sometimes, sitting on the backseat of my life, and the world is passing by.» Einfach mal auf dem Rücksitz Platz nehmen, aus dem Fenster schauen und die Landschaft auf sich wirken lassen – so die Message des Aarauers. Im Gespräch mit der Aargauer Zeitung sagt er: «Wir müssen lernen, die Kontrolle auch mal abgeben zu können.»
Vom Selbstzweifel bis zur Sehnsucht
Deshalb machte er «Backseat» auch gleich zum Titel seiner EP, die eben erst erschienen ist. Und der Name ist Programm: Hört man die fünf Songs an, will man sich auf den Rücksitz fallen lassen, zurücklehnen und den Moment geniessen.
Denn auch wenn sich die persönlichen und oftmals tiefgründigen Texte um Selbstzweifel oder Sehnsucht drehen, dominieren in der Musik die Wohlfühl-Klänge: «Ich versuche, der oft schwermütigen Thematik einen positiven Twist zu geben.»
Ein gutes Beispiel ist der Titel «Who I Am». Es ist ein Stück über das Auf-sich-selbst-zurückgeworfen-Sein, obwohl man von vielen Menschen umgeben ist – Stichwort Social Media. Dabei sollten wir unseren Weg gehen, ohne uns zu verstellen und ständig neu erfinden zu müssen, rät uns Nick Mellow: «I don’t have to be so revolutionary, it’s not the way I move – I don’t wanna be somebody else, just who I am.» Es gehe darum anzuerkennen, dass es auch ok ist, nicht aussergewöhnlich zu sein.
Von der Geige zur Gitarre
Das gelte auch für ihn und seine Musik: «Ich lebe in einem Reihenhaus mit Garten, und nach einer Tour oder einem Konzert freue ich mich auf eine warme Dusche. Das ist nicht Rock‘n’Roll, eigentlich bin ich ein Bünzli.»
Ein Bünzli vielleicht, musikalisch aber ist Nick Mellow durchaus talentiert und erfolgreich. Bevor sich der 30-Jährige der Gitarre und dem Gesang verschrieben hatte, drehte sich sein Leben um die Violine. Dabei galt seine Leidenschaft dem Jazz, dem Klezmer und Tango, gar eine Ausbildung an der Jazzschule stand im Raum. Stattdessen entschied er sich aber für eine Lehre in einem Gitarrenladen, was sich als Glücksfall herausstellen sollte: «Während die anderen zu Mittag assen, schnappte ich mir eine Klampfe nach der anderen, schaute Youtube-Videos und lernte Songs von Tutorials.»
Vom handgestrickten Demo in die Charts
Das Instrument wurde bald schon sein täglicher Begleiter, und bereits mit 16 Jahren begann er, erste Demos zu produzieren. Mit dem Cello seiner Schwester wurde die Bassline eingespielt, auch die Drums nahm er selbst auf: «Es war grottig, aber ich hatte unglaublich viel Spass und war nie mehr so stolz über meine eigene Musik wie damals – es ist, wie das erste Mal verliebt zu sein.»
Im Jahr 2018 veröffentlichte er dann sein Début «Wait & See», welches es bis in die Top 20 der Schweizer Albumcharts schaffte, beim Open Air St.Gallen und dem Gurtenfestival stand er auf der Bühne.
Und wenn Nico Breuninger, wie er mit bürgerlichem Namen heisst, gerade mal nicht an der Gitarre sitzt, arbeitet der Sozialpädagoge mit verhaltensauffälligen Jugendlichen in Baden. So bleibt zwischen Arbeit und Musik nicht viel Freizeit, trotzdem ist es ihm wichtig, Ausflüge in die Natur zu unternehmen: Im Sommer trifft man den Aarauer auf Wanderwegen und Klettersteigen, im Winter auf dem Snowboard. Zudem hat er kürzlich seinen VW umgebaut mit Kochstelle, WC und eben – einem bequemen «Backseat». Bei seinen Ausfahrten mit dem Büssli lässt er die Gitarre zu Hause, nicht nur aus Platzgründen: «So kann ich mich ganz auf neue Eindrücke konzentrieren und Inspiration sammeln.»
(Aargauer Zeitung/Philippe Neidhart)